Konflikte – Wie du sie verlängerst oder mit Logikfehlern killst
Do: Deine Lesenden positiv frustrieren. Don’t: Deine Lesenden für dumm verkaufen.
Deine Lesenden brauchen Konflikte, die sie durch das Buch ziehen. Daher darfst du diese nicht gleich auflösen!
Vor einer Weile habe ich mich auf Instagram als Fan amerikanischer Dramaserien über Rettungskräfte geoutet. Allerdings wollte ich damit nicht gestehen, dass ich auf vorhersehbare Plots stehe. Was mich an diesen Serien fasziniert ist ihre Fähigkeit, Konfliktlösungen teils über mehrere Folgen hinauszuzögern – und so den Zuschauenden mehrere Gründe geben, trotz der kurzen Spannungsbögen bei Rettungseinsätzen nicht nach einer Folge abzuschalten.
WIE funktioniert das?
Als Schreiberling kann man Konfliktlösungen entweder hinauszögern, verkomplizieren oder sogar ganz verhindern. Hauptsächliche Werkzeuge dafür sind die Arbeit mit dem Timing von Ereignissen (Rettungseinsätzen), dem Stolz / Ego / „Face“¹ der Figuren oder physische Hindernisse.
WARUM funktioniert das?
Rettungskräfte-Dramaserien spielen hauptsächlich mit dem Element des Timings. Wann auch immer sich eine Gelegenheit für die Lösung eines Konflikts bietet, ertönt mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit der Alarm für einen Einsatz.
Jetzt sind die Zuschauenden positiv frustriert: Sicher, sie wollen gern Butter bei die Fische, allerdings verstehen sie, dass das Wohlergehen des zehnjährigen Mädchen im Aufzugsschacht oder des CEOs mit Herzinfarkt jetzt wichtiger ist als das klärende Gespräch der Hauptfiguren. Es ist glaubwürdig!
Die Zuschauenden können nachvollziehen, dass zu jedem Zeitpunkt ein Unglück geschehen kann und das die Priorität, Leben zu retten, unweigerlich höher steht als jeder zwischenmenschliche Konflikt. Dieser ungelöste Konflikt schwelt in ihrem Hinterkopf und lässt sie auch dann noch weiterschauen, wenn die Situation überstanden ist – was ja das Ziel der Drehbuchautor:innen war.
WANN funktioniert das NICHT?
Allerdings funktioniert es nicht, die Zuschauenden (unabsichtlich) für dumm zu verkaufen. Glaubwürdigkeit ist das A und O: Wenn die Figuren ihr wichtiges, emotional aufgeladenes Gespräch unterbrechen, weil einer der beiden plötzlich einfällt, dass sie sich einen Kaffee machen will, sind die Zuschauenden zu Recht genervt.
Mittendrin weglaufen funktioniert nur, wenn die Figur einen triftigen Grund hat. Und Koffeinsucht zählt hier nicht!
Mit nichts können Schreibende ihre Glaubwürdigkeit schneller verlieren als mit Logikfehlern.
Folgende Situation hat mich vor ein paar Wochen tierisch aufgeregt: Ein cleverer Polizist ermittelt auf eigene Faust und wird vom (schmächtigen!) Täter hinterrücks überwältigt und entführt. Der Verlobte des Polizisten sucht nach diesem und klopft plötzlich an der Haustür des Täters, um nach seinem Liebsten zu fragen. Bevor der Täter (unbewaffnet!) an die Tür geht, fesselt er die Hände des Polizisten (vor dessen Körper!) und klebt ihm den Mund zu, ehe er den ahnungslosen Verlobten abwimmelt.
WARUM ist die Situation nicht so AUSWEGSLOS, wie sie scheint?
Als die Tür geöffnet wird, hat der Polizist keine Chance, um Hilfe zu rufen, denn sein Mund ist ja zugeklebt – zumindest wird es den Zuschauenden so präsentiert. Aber genau das ist der Knackpunkt: Warum beugt sich der Polizist nicht einfach zu seinen Händen, zieht das Klebeband ab und schreit? Stattdessen schaut er tatenlos zu, wie seine Chance auf Rettung verstreicht.
WELCHE Logikfehler KILLEN die Glaubwürdigkeit?
- Das Scheitern des Polizisten steht im völligen Gegensatz zu seiner Figur: Seine Ausbildung und Erfahrung sollte es ihm ermöglichen, in gefährlichen Situationen die Ruhe zu bewahren – und dass er das kann, hat er während der Serie schon mehrmals unter Beweis gestellt.
- Der Täter ist schmächtig und nicht bewaffnet. Es hat zu keiner Zeit Gefahr für den Verlobten bestanden, die den Polizisten davon abgehalten hätte, auf sich aufmerksam zu machen.
Es ist also völlig unlogisch, wie der Konflikt hier in die Länge gezogen wird. Ein unnötiger Fehler, der aufmerksame Zuschauende nervt.
WOMIT hätte man die Situation RETTEN können?
- Die Hände werden hinter dem Rücken gefesselt – das Klebeband abzuziehen wäre somit verständlicherweise völlig unmöglich. Es sei denn, der Polizist hat einen Nebenjob als Schlangenmensch im Zirkus.
- Der Täter hat eine Waffe, die der Verlobte nicht sieht – auf keinen Fall würde der Polizist seinen Liebsten in Gefahr bringen!
WAS heißt das für SCHREIBENDE?
Um Zuschauende (oder auch Lesende) dazu zu bringen, eine Serie oder ein Buch bis zum Ende zu konsumieren, müssen einige Konflikte über mehrere Abschnitte (Folgen, Kapitel, Buchbände) verlängert werden. Allerdings dürfen die Zuschauenden/Lesenden nicht das Gefühl bekommen, für dumm verkauft zu werden.
Zuschauende/Lesende wollen deinen Figuren glauben können, dass diese keine andere Möglichkeit haben als den Weg zu wählen, der direkt an der Lösung des Konflikts vorbei führt. Die Prioritäten der Entscheidungen deiner Figuren müssen stimmen; sie müssen sich nachvollziehbar und ihrem Charakter entsprechend verhalten – tun sie das nicht, werden diese Logikfehler unweigerlich die Glaubwürdigkeit deiner Geschichte killen.
Also: Die Antwort auf die Frage, warum der Konflikt jetzt nicht gelöst wird, darf niemals lauten „Weil’s halt so im Drehbuch stand.“
¹ Was genau ein Face ist und wie man es als Leitfaden für Figuren, ihr Verhalten und Konflikte nutzt, kläre ich in diesem Beitrag. Dazu nur so viel: Die Redewendung „das Gesicht verlieren“ kommt nicht von irgendwo. ⇑
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