Bücherweltgeschichten: Torwächtergeister

Habt ihr euch jemals gefragt, ob diese alten, eisernen Türklopfer mit kunstvollen Tierköpfen wohl sprechen könnten? Hier in der realen Welt ist das unwahrscheinlich. In der englischen Arkanwelt könnte euch das durchaus passieren.

11. Sep. 2023

Bild eines rostigen, eisernen Türklopfers auf einer alten, abgeschabten Holztür

Türklopfer gab es bereits im antiken Griechenland. Damals hatten sie noch eine eher düstere Funktion: An einem simplen Ring an der Tür waren Sklav:innen angekettet, die Gäste begrüßen sollten. Schliefen sie ein, machten Gäste deren Besitzer:innen darauf aufmerksam, indem sie mit dem Ring auf das Türblatt klopften. Daraufhin wurden die Sklav:innen für ihre Nachlässigkeit bestraft.

Die Römer übernahmen das Prinzip und verbreiteten es per Romanisierung in ganz Europa. In Englands Arkanwelt fanden Türsklav:innen eine ganz besondere Bedeutung: Diese waren nicht nur dafür zuständig, Gäste anzukündigen, sondern sollten diese auch vorsortieren – so wollten sich die Hausbewohner:innen vor unerwünschten Gästen oder gefährlichen Wesen schützen.

Der erste Torwächtergeist

Ein Streit zwischen dem Druiden Nicholas Bane und dem Türsklaven des Elderhexers Alabaster DeRaas brachte den ersten Torwächtergeist hervor.

Bane trug als Vertreter der Druiden dafür Verantwortung, den Anspruch seines Volkes auf die Ostwälder des arkanen Englands gegenüber den Zentauren durchzusetzen. In Zuge dessen wollte er sich die Unterstützung des mächtigen Elderhexers sichern.

Allerdings war dessen Türsklave ein Satyr namens Uryel, die seit jeher die majestätischen Zentauren verehren. Natürlich hatte der wenig Interesse daran, den Druiden zu seinem Herrn vorzulassen und hielt ihn mit den fadenscheinigsten Begründungen stundenlang hin. Obwohl Bane als Nutzer von Naturmagie über ein ruhiges Gemüt verfügte, riss ihm schlussendlich der Geduldsfaden und er erschlug den Satyr.

Anders als erhofft trat dessen Seele aber nicht in die Heiligen Haine des Nachlebens über: Sie fuhr in den Kopf des kunstvollen Türklopfers, an dessen Ring sein Körper fast ein Jahrzehnt lang angekettet gewesen war, und blockierte weiterhin den Weg zu seinem Herrn.

Statt sich des Satyrs also zu entledigen, hatte Bane versehentlich einen unsterblichen Torwächtergeist erschaffen, der nun unbegrenzte Macht über Tür und Tor des Elderhexers besaß. Dieser erlangte wegen Uryels Vorurteilen niemals Kenntnis vom Anliegen der Druiden und sprach die Ostwälder im folgenden Jahr den Zentauren zu.

Torwächtergeister als Mode-Erscheinung

Nicht nur der Elderhexer erkannte, wie nützlich die Unsterblichkeit seines Torwächtergeistes insbesondere bei gefährlichen Besucher:innen war: Bald besaß die gesamte gehobene Gesellschaft der Hexen Torwächtergeister – innerhalb von fünfhundert Jahren wurden etwa zwanzigtausend Seelen an Türklopfer gebunden.

Erst mit dem Ende der Sklaverei zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts verbot der Hexenrat auch die Praxis der „aktiven Besitzung von Türklopfern“ in der Arkanwelt.

Die Druidenschule von Londria hat noch immer keine Methode gefunden, um Seelen von Objekten zu trennen. Daher existieren sämtliche Torwächtergeister bis heute und dienen weiterhin den Häusern, für die sie einst geschaffen wurden.

Uryel arbeitet derzeit als Torwächtergeist des Hexen-Enklaves, das in den Houses of Parliament tagt. Er ist ein maßgeblicher Faktor in politischen Entscheidungen und es gibt über fünfhundert Ratgeber, wie er am einfachsten zu überzeugen sei – der Geist selbst hat etwa die Hälfte davon gelesen und sich köstlich amüsiert.

Aus dem Projekt: Der König von Ifrinn

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