Von Alchemie, Schreiben und Scheitern

Als ich mir den Namen für meinen Instagram-Kanal oder diese Website ausgesucht habe, habe ich Freunde und Bekannte gefragt, was sie von dem Namen Story-Alchemistin halten – und habe fast immer die gleiche Reaktion bekommen: „Was soll denn Story-Alchemie sein?“ Meine Antwort „Na Alchemie, nur mit Geschichten“ brachte mir wohl ziemlich berechtigtes Augenrollen ein.

11. Aug. 2023

In Braun- und Gelbtönen: ein dicht bepacktes Regal mit allerlei Krimskrams aus einer Apotheke / einem Esoterikladen

Alchemie, die berüchtigte dunkle Kunst der Pseudowissenschaftler aus dem Mittelalter, die ganz versessen darauf waren, unnützen Kram in glitzerndes Gold zu verwandeln. Das hat auf den ersten Blick wohl wenig mit dem Schreiben meiner Romane zu tun als den Fantasy-Aspekt der ganzen Angelegenheit.

Aber Alchemie war mehr als nur die Suche nach Gold. Es war das Streben danach, mittels Transmutation von etwas Unedlem etwas Edles zu erschaffen. Sei das nun Gold, der Stein der Weisen, das Erreichen einer höheren geistigen Ebene oder die irdische Unsterblichkeit selbst.

Alchemie in der modernen Wissenschaft?

Das ist übrigens auch der modernen Wissenschaft nicht fremd – nein, nicht das mit der Unsterblichkeit, sondern das Herstellen von etwas Wertvollem. Denn da uns langsam die seltenen Materialien ausgehen, die in Computern, Smartphones und anderen elektronischen Geräten stecken, versuchen Forscher:innen, diese Materialien künstlich herzustellen. Sie bezeichnen heute als Synthese (griech. „Zusammensetzung“), was Alchemist:innen unter Transmutation (lat. „Vertauschen“) verstanden.

Aber anders als die Forschung heute nahmen Alchemist:innen an, dass Materialien nicht nur Eigenschaften hatten, sondern auch bestimmten Prinzipien unterworfen waren (womit sie eindeutig nicht die Vorläufer der physikalischen Gesetze meinten). Mit der Transmutation, so glaubten sie, könnte man die unedlen Prinzipien der Stoffe gegen edle austauschen und so ihren Wert erhöhen.

Ob das nun ein materieller, philosophischer, spiritueller oder temporaler Wert war, das hing von der Vorliebe der Alchemist:innen ab.

Die Devise: Aus Krimskrams mach Schatz, egal wie

Wie viele Stufen so eine Transmutation haben sollte und wie man diese auszugestalten hatte, das änderte sich immer mal wieder. Und natürlich glaubten alle Alchemist:innen, den einzig wahren Weg gefunden zu haben, weshalb dieser so kryptisch und unverständlich wie möglich dokumentiert werden musste – auf dass ihn ja niemand nachahmen oder weiterentwickeln könnte.

Im Endeffekt erreichten die wenigsten Alchemist:innen tatsächlich ihr angestrebtes Ziel; sie stolperten auf ihrem Weg aber immer mal wieder über nützliche Erfindungen wie Ammoniak, Porzellan, Schießpulver oder der Destillation von Alkohol, wovon wir auch heute noch profitieren.

Das Opus Magnum

Okay, und was hat das Ganze jetzt mit dem Schreiben zu tun?

Die deutlichste Parallele zwischen Alchemist:innen und Autor:innen ist das Streben nach einem Opus Magnum, dem Großen Werk – in unserem Falle also eine wirklich gute Geschichte. Denn wer möchte nicht sein Buch mit einem schicken roten Bestseller-Sticker im besten Regal des Lieblings-Buchhändlers sehen? Oder damit einen begehrten Literaturpreis gewinnen? Oder vielleicht mit dem eigenen Werk Unsterblichkeit erlangen?

Sicher, es gibt auch Ausnahmen davon, aber ich denke, es ist allgemeiner Konsens, dass die meisten veröffentlichenden Autor:innen gern mit ihrem Buch erfolgreich wären. Also suchen wir Schreibenden immer wieder neue Geschichten, neue Charaktere, neue Schauplätze und neue Erzählweisen, mal Bekanntes und mal ganz Unkonventionelles, um ein möglichst gutes Buch zu schreiben.

In unseren Recherchen suchen wir uns – wie Alchemist:innen auch – neue Dinge zusammen, die wir zu immer besseren Texten zusammenbasteln. Und wie genau dieses Zusammenbasteln funktionieren soll, darüber sind wir uns genau so uneinig wie die Alchemist:innen darüber, wie man denn nun zu transmutieren habe.

Es gibt nicht den einen Weg

Ich habe schon ziemlich viele Schreibratgeber, Blogartikel und Guides mit Tipps und Tricks zum Schreiben und Veröffentlichen von Büchern gelesen. Und mir ist ganz schwindlig von den ganzen einzigen Wahrheiten, die zum Erfolg führen sollen. Aber sein wir doch mal ganz ehrlich – gäbe es tatsächlich so eine narrensichere Erfolgsformel, dann würde es doch nur noch Meisterwerke hageln.

Tatsache ist, Schreiben ist nichts, dem man ein steifes Korsett umschnürt, es nach Schema F hübsch anpinselt, ihm ein paar vorgefertigte Schleifen in die Locken dreht und es dann zum Lächeln auf einen Ball schickt. Immer in der Hoffnung, es möge einen hübschen Prinzen mitbringen.

Schreiben muss jeder für sich entdecken, denn jeder Schreibprozess ist so individuell wie unsere DNA.

Try and Error statt Erzwingen

Wir sollten also mehr mit verschiedenen Faktoren experimentieren: Wem soll gefallen, was wir schreiben? Was aus Struktur-Methode A funktioniert für uns? Und was können wir aus Spannungs-Guide B mitnehmen? Wie schustern wir es am besten mit dem Charakterleitfaden C zusammen?

Das wissen wir erst, wenn wir es versucht haben. Denn erst dann gibt es diese Momente, in denen durch das Scheitern unseres tollen Plans etwas Unerwartetes, Großartiges entstehen kann. (Beispielsweise, wenn die Heldin sich sträubt, das zu tun, was sie soll, oder ein Geistesblitz uns alles um die Ohren fliegen lässt.)

Dafür müssen wir mutig sein und das wagen, was weit über Ratgeber wie „So schreibst du gute Romane“ oder „Drölf Methoden, eine richtig gute Geschichte zu schreiben“ hinausgeht.

Wenn du also durch den Wald läufst (den metaphorischen wohlgemerkt, in realen Wäldern bitte Vorsicht walten lassen!), solltest du einfach mal den ausgetretenen Pfad verlassen und dich ordentlich auf die Nase legen. Vielleicht landest du ja auf ein paar Trüffeln. Sicher, dabei kannst du auch in die Hinterlassenschaften eines Wildschweins stolpern oder dich in ein Ameisennest setzen, aber auf dem „sicheren“ Weg wirst du die Trüffel bestimmt nicht finden.

Und was ist denn nun Story-Alchemie?

Um diesen langen Exkurs wieder dahin zu führen, wo wir ihn begonnen haben, will ich diese Frage endlich beantworten:

Story-Alchemie ist Transmutation von dem, was uns zur Verfügung steht, zu etwas Neuem, Unterhaltendem, Spannendem, Großartigem – zu einem Opus Magnum.

Sie ist der Blick aufs Ziel und die Akzeptanz, dass wir viele Wege laufen müssen, bis wir es erreichen. Das „auf die Nase fallen“ und das „die Welt beim Aufstehen aus einer völlig neuen Perspektive sehen“.

Und vielleicht ist sie sogar die Erkenntnis, dass wir beim Schreiben wahrscheinlich weniger an unserer Geschichte arbeiten als an uns selbst und daran, wie wir an unser Werk herangehen.

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