Der Pitch – (kein) Hexenwerk?
Was einen starken Pitch für deinen Roman ausmacht
Die Frage, worum es in ihrem Buch geht, hat wohl alle Schreibenden schonmal ordentlich aus der Bahn geworfen. Dabei sollten wir die Antwort doch genau kennen, oder nicht? Was ein Pitch überhaupt ist, wann du einen Pitch brauchst und vor allem, wie du einen Pitch schreibst, erfährst du hier!
Inhalt
Das Reh im Scheinwerferlicht
Alle Schreibenden hatten diesen Moment schonmal. Eine liebe Person fragt nach deinem Herzensprojekt. Du freust dich über das Interesse, dein Hirn schüttet Glückshormone aus, dein Herz rast, dein Atem stockt – und dann erinnerst du dich, dass du vielleicht mal antworten solltest.
Aber was? Dein Kopf beginnt zu rattern.
Wie sollst du die ganze Leidenschaft, die du schon seit Wochen und Monaten in diese Zeilen steckst, möglichst kurz zusammenfassen? Du willst dein Gegenüber ja nicht für sein Interesse bestrafen, indem du ihn:sie mit ausschweifenden Erklärungen langweilst. Aber du willst auch, dass er:sie genau weiß, was dich gerade bewegt.
Eine Zusammenfassung? Ein Überblick? Mit Cliffhanger oder ohne? Wie viel darfst du verraten?
Die Freude über Interesse an unserem Roman kann uns schonmal aus der Bahn werfen.
Vorbereitung ist die halbe Miete
Generell gilt: Wenn du dir in dieser Situation erst überlegen musst, was du auf die Frage antwortest, ist es eigentlich schon zu spät. Es gibt zwar einige Menschen, die auf Knopfdruck großartige Pitches abliefern können, aber der gemeine Schreiberling gehört eher nicht zu der spontanen Sorte, was das Thema „kurz und bündig“ angeht.
Am besten bereitest du dich schon beim Schreiben – JETZT! – darauf vor, was du in einer solchen Situation sagst. Ein Lektor, den ich sehr bewundere, sagte letztens sinngemäß: „Den idealen Pitch kann man nicht in 15 Minuten schreiben, wohl aber einen Grob-Pitch zum weiterentwickeln.“
Ein Pitcher voller Pitches
Den einen „idealen Pitch“ gibt es sowieso nicht. Deine Geschichte ist so facettenreich, du könntest fünf verschiedene Pitches daraus schreiben – und das solltest du auch tun. Denn bestenfalls werden nicht nur Freunde und Familie fragen. Es könnte sein, dass du auf einer Messe an einem Verlags- oder Agenturstand pitchen willst. Eventuell wirst du bei der Arbeit gefragt. Oder von der netten Frau im Wartezimmer beim Arzt.
Lege dir mehrere Pitches für verschiedene Situationen zurecht und übe sie fleißig. So gerätst du nicht ins Schwitzen, wenn du nach deinem Werk gefragt wirst, sondern kannst es stolz und souverän vorstellen.
Wenn du Pitches für verschiedene Situationen vorbereitest,
kann dich nichts mehr aus der Ruhe bringen!
Wie lang muss ein Pitch sein?
So kurz wie möglich. Ich weiß, tolle Zeitangabe. Einige sagen maximal 25 Worte, andere drei Sätze, noch andere sprechen von zwei Minuten (und ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich bringe eine Meeeenge Wörter in zwei Minuten unter, wenn ich will).
Ich würde dir dazu raten, verschiedene Pitches vorzubereiten und dann spontan zu entscheiden, wie viel Zeit dein Gegenüber hat. So gerätst du nicht in die Verlegenheit, dass er:sie dich unterbrechen muss. Wenn du mehr Zeit zur Verfügung hast, solltest du die nutzen. Denn ein ganzes Buch zu schreiben, sich eine Geschichte, Figuren und eventuell sogar eine Welt auszudenken ist etwas Unglaubliches. Dann darfst du gern mehr mit deinen Zuhörenden teilen.
Inspiration und Recherche
Natürlich musst du das Rad nicht neu erfinden. Am besten suchst du dir ein paar erfolgreiche Bücher raus, die dir gefallen haben. Wichtig ist nur, dass das Werk zur Zielgruppe deines Romans passt. Ein Pitch à la Titanic für einen Fantasy-Sci-Fi-Roman ist zwar möglich, wird aber weder Romance- noch Phantastik-Fans wirklich ansprechen.
Was muss ein Pitch enthalten?
Du bist inspiriert, aber es flutscht trotzdem nicht? Gehen wir an die Wurzel. Grundsätzlich wichtig für das Verständnis einer Buchidee sind vier Dinge:
- die Hauptfigur
- das Genre
- das Thema
- der Hauptkonflikt
Wichtig: Dein Pitch ist keine simple Zusammenfassung deines Romans, sondern ein Teaser. Er weckt die Neugier deiner Zuhörenden. Dafür brauchst du zusätzlich zum Inhalt noch das gewisse Etwas – aber dazu später mehr.
Um mit deiner Idee zu begeistern, verpackst du deinen Pitch am besten in Wörter und Begriffe, die Emotionen und Assoziationen erzeugen. Beispielsweise wirkt „Bauernjunge“ stärker als „Lukas“, und „Gefährten“ sind mehr als nur „Reisebegleiter“.
Die Hauptfigur in deinem Pitch
Die Hauptfigur trägt deine Geschichte. Durch ihre Augen erleben wir die Handlung, haben Einblick in ihre Gedankenwelt und wollen ihr Schicksal erfahren. Wer ist sie, was macht sie aus und warum lohnt es sich, ihr zu folgen? Deine Pitch-Zuhörenden wollen wissen, ob diese Figur interessant genug ist, um hunderte Seiten mit ihr zu verbringen.
Ein paar Beispiele:
- Harry Potter (Buchserie ab 1997): Ein scheinbar normaler Junge erfährt plötzlich, dass er Magie beherrscht und als Baby den Angriff eines bösen Zauberers überlebt hat.
- Geralt von Riva (Geralt-Saga, ab 1994): Ein Hexer (männliche Form 1994 eher ungewöhnlich) ist ein Mutant und von der Gesellschaft verstoßen.
- Luke Skywalker (Star Wars IV, Film von 1977): Ein Bauernjunge in einem Weltraum- Setting.
- Jack und Rose (Titanic, Film von 1997): Ein mittelloser Künstler und eine vermögende junge Frau, die unglücklich verlobt ist.
- Hercule Poirot (Mord im Orientexpress, Agatha Christie): Ein Exzentriker, der zwar etwas eingebildet aber dennoch ein genialer Detektiv ist.
Einen Großteil deiner Geschichte kannst du im Genrenamen zusammenfassen. Denn jedes Genre kommt mit einer gewissen Erwartungshaltung an Handlung oder Stimmung – egal ob „Historical Romance“, „Regionalkrimi“ oder „Space Opera“ wir haben direkt Bilder im Kopf.
Da das Genre bei deinen Zuhörenden ebenfalls Kopfkino auslösen soll, empfiehlt sich hier, ein möglichst Spezifisches zu nutzen.
Achtung: Je ungewöhnlicher das Genre ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass Zuhörende mit wenig Vorwissen aus der Branche Genres nicht kennen. Dann funktioniert dein Pitch nicht. Kenner:innen der Branche werden wissen, was ein „Nackenbeißer“ ist – mich hat letztens jemand gefragt, ob das Satire über Kannibalen ist. Nun.
Das Thema in deinem Pitch
Jetzt wird’s ein bisschen verzwickt – denn es gibt verschiedene Herangehensweisen an diesen Aspekt. Wieder ist wichtig, für wen du pitchst und wie viel du von deiner Geschichte preisgeben willst. Entweder beziehst du dich auf die Prämisse, bringst die zentrale Frage auf den Tisch oder kommst gleich mit dem Tiefenthema um die Ecke.
„Hä? Ist das nicht alles dasselbe?“
Nein. Das sind die drei Ebenen, in denen du dein Thema aufarbeiten kannst. Schauen wir uns das genauer an. Wichtig ist, dass du dich auf den Haupt-Handlungsstrang fokussierst und Nebensächliches weglässt. Weiteres kannst du erzählen, wenn dein Gegenüber schon vom Pitch gepackt wurde!
Prämisse
Die Prämisse ist eine abstrakte Zusammenfassung deiner Geschichte. Hier stellst du das Anliegen, die Werte oder Ziele der Hauptfigur und die Ziele bzw. das Handeln des Gegenspielers („Antagonist“ oder „antagonistische Kraft“) gegenüber.
- Harry Potter: Gut (Harrys Werte) gegen Böse (Voldemorts Werte)
- Titanic: Liebe (Ziel der Hauptfiguren) trotz Klassenunterschied (steht der Liebe entgegen)
- Mord im Orientexpress: Aufklärung der Tat (Ziel des Protagonisten) entgegen den Widrigkeiten (Rätsel, Mörder will nicht gefunden werden, etc.)
Zentrale Frage
Deine Prämisse steht aber nicht einfach im Raum, sie wirft eine zentrale Frage auf und weckt Erwartungen. Beispielsweise verrät sie gemeinsam mit dem Genre, ob es ein Happy End geben wird. Das ist für Lesende und Verlegende wichtig: Denn wenn du diese Erwartung nicht erfüllst, musst du schon ein wirkliches Kunststück haben, damit der Roman trotzdem funktioniert.
- Harry Potter: Wird der scheinbar schwache Harry das übermächtige Böse in Form von Voldemort besiegen? (Erwartung: Happy End)
- Titanic: Hat die Liebe von Jack und Rose eine Zukunft, obwohl sie aus verschiedenen Gesellschaftsklassen kommen? (Erwartung: Happy End; hier mit Einschränkungen, weil die Liebe eine Chance gehabt hätte, wäre das Boot nicht abgesoffen. Ist also eher ein Semi-Happy End.)
- Mord im Orientexpress: Wird es Hercule Poirot trotz aller Widrigkeiten gelingen, den Mörder von Samuel Ratchett zu finden? (Erwartung: Happy End in Form von Auflösung)
Tiefenthema
Wenn du ein bisschen mehr Zeit für deinen Pitch hast, kannst du auch dein Tiefenthema auspacken. Das geht, wie der Name schon sagt, in die Tiefe deines Romans und beantwortet die Frage, worum es wirklich geht. Und das Tiefenthema ist neben dem Vorwissen deiner Zuhörenden der zweite Grund, warum du mehrere Pitches erstellen solltest.
Denn hier wird hinter die Fassade geschaut – und das kannst du aus mehreren Perspektiven.
- Harry Potter: Zunächst scheint das Tiefenthema recht oberflächlich: Wie kann Gut Böse überwinden? Aber wer die Serie kennt, weiß, dass man gelegentlich über die Frage stolpert, ob „böse“ wirklich „böse“ ist und ob immer alles so ist, wie es scheint. Man stolpert auch über schwerere Themen wie Rassismus bzw. Klassismus: Voldemort will die Weltherrschaft übernehmen, weil er „Muggel“ (normale Menschen) für minderwertig hält und diese sowie all ihre Sympathisanten beseitigen will.
- Titanic: Das Tiefenthema ähnelt der Prämisse, weil diese schon sehr spezifisch ist. Die Auswirkungen der Klassengesellschaft auf zwei Menschen, die sich lieben, sowie der Umgang mit Tabus, die sich daraus ergeben.
- Mord im Orientexpress: Das Tiefenthema hier hat wenig mit der Prämisse zu tun – was die Geschichte ziemlich genial macht. Es geht anfangs sehr subtil, dann etwas deutlicher zwischen den Zeilen und schließlich ganz offen um die Frage nach Schuld, Sühne und Selbstjustiz. Müssen die Täter wirklich zur Rechenschaft gezogen werden oder war das Verbrechen auf eine gewisse Weise gerechtfertigt?
Der Hauptkonflikt in deinem Pitch
Jetzt werden Prämisse, Frage oder Tiefenthema auf deine Geschichte bezogen!
Welche Ansichten oder Ziele hat die Hauptfigur und wie steht ihr der Gegenspieler im Weg? Am besten wirst du möglichst konkret. Dennoch solltest du deine Zuhörenden nicht mit Namen und Orten überfordern, denn darauf kann man sich beim Zuhören nur schwer konzentrieren.Das gewisse Etwas in deinem Pitch
Das Wichtigste neben der Hauptfigur, dem Genre, und der Kombi aus Thema und Hauptkonflikt ist dein Verkaufsargument. Was macht deine Geschichte so einzigartig? Und, um den ätzenden Marketing-Begriff „Unique Selling Point“ zu umgehen, was ist der Twist, der deinen Roman ausmacht?
Es gibt seit Harry Potter tausende Bücher über magische Schulen. Das heißt aber nicht, dass sie nicht trotzdem von Lesenden verschlungen werden, wie man an dem „Dark Academia“-Trend sieht, der uns Stand 2024 schon ein paar Jahre lang begleitet.
Dieses Etwas ist die Daseinsberechtigung deines Romans neben all den anderen mit dem Thema. Je ungewöhnlicher es ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, damit auf Begeisterung zu stoßen. Aber wie immer gilt: nicht übertreiben. Denn am einen Ende des Spektrums wartet „cringe“ und am anderen „absurd“.
Braucht dein Pitch einen Cliffhanger?
Auf jeden Fall! Der Pitch ist wie ein Trailer für einen Film. Und wenn DC uns schon von Anfang an verraten hätte, ob Batman den Joker hinter Schloss und Riegel bringt oder der ihn dazu provoziert, ihn entgegen seinen Überzeugungen doch zu töten – wären wir dann ins Kino gegangen?
Zusammenfassung
Das war jetzt eine ganze Menge, also gehen wir’s nochmal ganz kurz durch:
- Bereite deine Pitches immer vor, so kannst du deinen Roman jederzeit vorstellen.
- Es gibt nicht „den einen idealen Pitch“. Bereite Pitches für verschiedene Situationen vor und übe sie fleißig!
- Suche dir ruhig bei anderen Autor:innen Inspiration für deinen Pitch.
- Wichtig sind vier Inhaltselemente (Hauptfigur, Genre, Thema, Hauptkonflikt), das gewisse Etwas deiner Geschichte und die emotionale, bildhafte Sprache.
- Dein Pitch ist ein Teaser und braucht einen giftigen Cliffhanger!
Wo findest du weitere Informationen?
Für diesen Blogbeitrag habe ich unter anderem folgende Artikel gelesen:
Hans Peter Roentgen: „Sieben Pitchtypen für Autoren“ (Blogbeitrag)
Annika Bühnemann: „So schreibst du den perfekten Pitch“ (Blogbeitrag)
Du & Ich Lektorat und Textservice: „Dein Pitch“ (Instagram)
Goodies? Goodies.
Da ich heute in Design-Laune war, habe ich ein paar Cheat-Sheets für dich zum Herunterladen gebastelt. Viel Spaß und Erfolg beim Schreiben deiner Pitches! (Und falls du mal nicht weiterkommst, berate ich dich natürlich gern! Schreib mir einfach hier eine Mail.
Lies hier weiter:

Mit Wetter starke Emotionen schreiben
Wer kennt es nicht, das eingeschneite Pärchen in der heimeligen Almhütte oder die Seefahrer, deren Überfahrt dank Jahrhundertsturm zum gefährlichen Abenteuer wird. Dass das Wetter ein großartiges Storytelling-Tool ist, hat die Belletristik schon lange für sich entdeckt – mal mehr und mal weniger subtil. Ein paar Wetter-Kniffe für deine Szenen findest du in diesem Artikel!

Schreibtipp: Mit dem Face-Konzept spannende Figuren schreiben
Ganz besonders Autor:innen wissen, wie wichtig es ist, dass Figuren ihrem Charakter entsprechend aufeinander reagieren. Aber es kann ganz schön schwer sein von „er ist ein netter Mensch“ auf „wie würde er mit seiner Mutter sprechen, wenn seine Kumpels dabei sind?“ zu schließen. Wie das Problem also lösen? Ganz einfach: Du nutzt das Face-Konzept.

Inspiration im Weltenbau
Was haben die Welten von „Shadow & Bone“, „Avatar: Der Herr der Elemente“ und „The Witcher“ gemeinsam? Erstmal gar nix. Und dann doch mehr, als es den Anschein macht: Denn sie alle wurden einheitlich und mit klar abzugrenzender Inspirationsquelle gebaut. Du willst das auch? In diesem Blogbeitrag erfährst du alles, was du dafür wissen musst!
0 Kommentare