Authentische Stimmung dank Regen, Wind und Sonne

Mit Wetter starke Emotionen schreiben

Goldene venezianische Faschingsmaske mit schwarzen Federn auf dunklem Hintergrund, daneben eine weiße Rose.

Wer kennt es nicht, das eingeschneite Pärchen in der heimeligen Almhütte oder die Seefahrer, deren Überfahrt dank Jahrhundertsturm zum gefährlichen Abenteuer wird. Dass das Wetter ein großartiges Storytelling-Tool ist, hat die Belletristik schon lange für sich entdeckt – mal mehr und mal weniger subtil.

Ein paar Wetter-Kniffe für deine Szenen findest du in diesem Artikel!

16. Aug. 2024

Inhalt

Bei der Gestaltung von Geschichten kommt ein Aspekt häufig zu kurz – das Wetter. Klar, ab und an schleichen sich ein paar Klischees ein, wie etwa Londoner Regen, knallende Sonne auf einer griechischen Insel oder eine Bergfestung im Schnee. Dabei gibt es so viele verschiedene, großartige Möglichkeiten, das Wetter zu nutzen!

Emotionen durch Wetter darstellen

Hendriks Körper zitterte, das kalte Nass heftete das T-Shirt auf seine Haut und perlte von seinen Armen ab. Die Haare klebten an seinen Schläfen. Mit aufgerissenen Augen starrte er durch das Fenster des Cafés das Paar an, das so eng umschlungen auf der Eckbank saß. Er konnte sich nicht einmal darüber wundern, dass die Tropfen, die über seine Wangen zu seinem Mund liefen, seltsam salzig schmeckten.

Goldene venezianische Faschingsmaske mit schwarzen Federn auf dunklem Hintergrund, daneben eine weiße Rose.

Wie passend, wenn der Himmel mit den Figuren mitheult.

Die Herzensperson mit jemand anderem zu sehen kann einen ganz schön schocken. In dieser Szene wird durch Hendriks Reaktion – nämlich gar keine – dargestellt, wie sehr der Schmerz ihn paralysiert. Das entspricht nicht dem natürlichen Verhalten von Menschen, die bei schlechtem Wetter die Beine in die Hand nehmen, um Schutz vor den Elementen zu finden.

Starke Emotionen kann man aber auch durch andere Wetterlagen darstellen: Wenn es etwas zu feiern gibt und dann auch noch die Sonne scheint oder der Nachthimmel sternenklar ist, verdeutlicht das die heitere Stimmung, die nicht von Wolken überschattet wird. Bei Gewittern beispielsweise werden im Himmel gewaltige Kräfte entfesselt – das bietet super Kulisse für heftige Kämpfe.

Das Zusammenspiel des Wetters mit der Umgebung bzw. dem Setting kann ebenfalls viel für deine Szene tun:

In der Stadt klatscht der Regen recht humorlos auf den nackten Asphalt der Straßen und sammelt sich in den Fahrrinnen. Vorbeirasende Autos verpassen Fußgängern schmutzige Duschen oder geraten sogar ins Schlingern (Aquaplaning). Schlussendlich verschwindet die Brühe gurgelnd in den Gullys und wir wissen, zu welchem Ort die führen – was für eine trostlose Vorstellung.

Im Regenwald hingegen kann ein Schauer etwas Schönes sein: Er prasselt auf die großen Blätter tropischer Pflanzen und erzeugt eine tolle Geräuschkulisse, nährt den Boden und lässt die schwere Erde einen herrlichen Duft verströmen.

Verschiedene Wetterlagen können die Gefühle einer Figur ausdrücken – je nach Situation, Setting und persönlichen Vorlieben dieser Figur.

Durch Kontraste Emotionen verstärken

Es gibt da einen uralten Film, den ich in meinem Englisch-Leistungskurs schauen musste. Darin finden der Protagonist und seine Herzensdame in einer furchtbar schmalzigen Szene im strömenden Regen zusammen. Sie sind so überglücklich, dass sie einander endlich ihre Gefühle gestanden haben und jetzt ein gemeinsames Leben beginnen können. Auf die Bemerkung des Herren, dass es ja regne, erwidert die Dame tropfenblinzelnd, das wäre ihr gar nicht aufgefallen.

[Anmerkung: Ich mente „Vier Hochzeiten und ein Todesfall“, wurde aber darauf aufmerksam gemacht, dass auch bei „Frühstück bei Tiffany“ so eine Szene vorkommt. Zufall? Ich denke nicht.]

Einige Kritiker haben sich ziemlich über diese Szene lustig gemacht. Vor allem, weil hier a) viel zu dick aufgetragen wird und b) ihre Reaktion völlig unrealistisch ist – ich meine, wie liebestrunken muss man sein, um so einen Guss nicht zu bemerken?

Aber das Prinzip ist spannend: Das Glück der beiden Figuren ist so vereinnahmend, dass nicht einmal hundsmiserables Wetter das überschatten kann.

Goldene venezianische Faschingsmaske mit schwarzen Federn auf dunklem Hintergrund, daneben eine weiße Rose.

Nichtmal der Regen kann ihnen den Spaß beim Planschen verderben!

Doch man kann nicht nur Freude und Glück à la „singing in the rain“ darstellen, sondern auch andere Kontraste nutzen: Wenn die Figuren richtig miese Laune haben, weil sie eigentlich grummelig, traurig oder deprimiert sind, könnten sie sich beispielsweise von dem herrlichen Sonnenschein verhöhnt fühlen. Vielleicht wirkt die Wärme der Sonne aber auch eigenartig falsch, weil die Figur sich innerlich leer und taub fühlt. Oder wie wäre es, wenn eine Figur, eventuell ein Mönch oder eine andere spirituelle Person, trotz der Gefahr eines wütenden Sturms mit zuckenden Blitzen auf dem Gipfel eines Berges meditiert? (Bitte nicht nachmachen!)

Was ist das zentrale Element der Emotion einer Figur und wie kann das Wetter am besten das absolute Gegenteil verkörpern?

Das Wetter als Plotmittel – die Holzhammermethode

Wenn es denn so ein alter Hut ist, warum benutzen Autor:innen trotzdem noch so gern das Wetter als Mittel, um ihren Plot voranzutreiben? Weil es glaubhaft ist!

Als ich klein war, scherzte mein Opa, ein Landwirt aus NRW, dass man das Wetter am besten am Schwänzchen eines Esels ablesen kann:

  • Schwänzchen trocken – schönes Wetter.
  • Schwänzchen nass – Regen.
  • Schwänzchen weiß – Schnee.
  • Schwänzchen wackelt – Wind.
  • Schwänzchen weg – Nebel.
Drei junge Frauen lachen zusammen. Hintergrund ist unscharf, die Sonne scheint.

Kurzum: Wir wissen erst, wie das Wetter ist, wenn es über uns hereinbricht.

Sicher haben Meteorologen wissenschaftliche Methoden entwickelt, mit denen sie anhand von Temperatur, Luftdruck, Luftströmungen, etc. das Wetter in etwa abschätzen können. Aber wie oft haben wir uns schon am Ende eines langen, heißen Tages geärgert, dass der angekündigte Regenguss ausblieb, der die Luft abkühlen sollte, damit wir schlafen können?

Diese Unvorhersehbarkeit des Wetters kann eine Szene vorantreiben bzw. sie in andere Richtung lenken. Eine Unterhaltung im Freien muss dringend unterbrochen werden? Plötzlich öffnen sich die Himmelstore und der Platzregen lässt die Figuren auseinanderspringen. Der Schurke braucht noch ein bisschen Zeit, um das wichtige Artefakt zuerst zu erreichen? Ach, wie unglücklich wäre es, wenn da ein Sturm über die Held:innen hereinbricht, der sie auf unbestimmte Zeit aufhält.

Und weil das Klischee so schön ist: Sollen sich die Held:innen sich für ein bisschen Spice etwas näher kommen, während sie die Nacht in einer alten Hütte verbringen? „Shadow and Bones“ hat es vorgemacht: Erst durchnässen, dann Kälte – jeder vernünftige Mensch würde die nasse Kleidung ablegen und ohne weitere Wärmequelle ist Schmusen zweifellos die nächstbeste Alternative.

Extreme Wettersituationen – Achtung, es wird ungemütlich!

Goldene venezianische Faschingsmaske mit schwarzen Federn auf dunklem Hintergrund, daneben eine weiße Rose.

Besonders extremes Wetter schlägt uns aufs Gemüt, denn es bedroht uns auf fundamentaler Ebene.

Wenn wir lange Zeit bestimmten Wettereinflüssen ausgesetzt sind, besonders im Zusammenhang mit extremen Temperaturen, verbrennt unser Körper viel Energie. Die Erschöpfung zehrt an unserem Nervenkostüm und macht uns anfällig für Reize.

Die ständige Hitze und Feuchtigkeit in einem Regenwald beispielsweise macht den Kopf bräsig – die Moskitos tun ihr Übriges. Die Figuren sind gereizt und abgespannt. Jetzt kann man sie über die kleinsten Dinge streiten zu lassen – und dabei die Charakterzüge der Figuren darstellen oder ihre Beziehungen entwickeln. (Und wenn’s kein Regenwald sein soll: Eine ordentliche Dämse an einem heißen, feuchten Sommertag in Deutschland zwingt selbst den robustesten Kerl irgendwann in die Knie.)

Statt nur als Kulisse zu dienen, kann das Wetter aber auch essenzieller Bestandteil der Handlung sein – beispielsweise als antagonistische Kraft, die den Zielen der Figuren im Weg steht:

Seamus hatte gelacht, als Ellie ihm erzählt hatte, dass sie noch Anbruch des nächsten Tages zum Tempel gelangen müsste. Mitten in diesem Sturm den Mondberg hinauf – ein guter Scherz. Die Erkenntnis, dass sie es ernst meinte, hatte ihn besorgt die Stirn runzeln und fragen lassen, ob sie lebensmüde wäre.
Im Nachhinein betrachtet hätte sie seine Warnung vielleicht ernster nehmen sollen. Ellie stemmte sich mit ihrem Wanderstab gegen den Wind und spähte durch den Regen hinauf zum Gipfel, den sie zwischen den dicken Wolken kaum erkennen konnte.
Sie könnte umkehren, zurück zu der kleinen Herberge und sich von Seamus für ihre Naivität auslachen lassen. Aber es stand einfach zu viel auf dem Spiel. Also straffte sie die Schultern, biss die Zähne zusammen und rang dem Sturm einen Meter Berg nach dem anderen ab.

Diese Figur ist auf einer Mission. Wird sie genug Durchhaltevermögen beweisen, um ihr Ziel trotz widriger Umstände zu erreichen?

Beispiele für zermürbende Wettersituationen:

  • extremer Heiß-Kalt-Wechsel in der Wüste,
  • ständiges Frieren in einer Eislandschaft
  • Dauerregen und Feuchtigkeit
  • Anhaltende Hitze ohne Abkühlung
  • anhaltendes Donnergrollen und Blitzen (der Körper ist ständig in Alarmbereitschaft!)
  • nicht enden wollende, heftige Stürme

Wenn Figuren dauerhaftem Stress ausgesetzt sind, zeigt sich ihr wahres Wesen!

Im Übrigen muss das Wetter nicht immer der Gegenspieler sein. Es ist durchaus möglich, dass es extreme Wetterphänomene gibt, die sich die Figuren zu Nutze machen. In „Fluch der Karibik 2“ beispielsweise erzählt die Figur Norrington, dass er daran gescheitert sei, die Piraten mit seinem Schiff durch einen Sturm hindurch zu verfolgen. Das Extremwetter hat also die Held:innen der Geschichte vor dem Schurken beschützt.

In einem anderen Szenario könnten Figuren extreme Temperaturen zu ihrem Vorteil nutzen: Eine Eiswüste zu durchqueren stellt ein großes Risiko dar – es sei denn, ein Verbündeter wurde vom Antagonisten tiefgefroren. Er darf auf keinen Fall auftauen, ehe die Held:innen ihr Ziel erreichen, an dem der Verbündete lebendig aus seinem eisigen Gefängnis befreit werden kann.

Junge Frau lehnt an einer Mauer, auf der ein riesiges Auge gemalt ist. Neben ihr schwebt eine riesige Maske aus verwitterter Bronze in der Luft.

Wenn die frostigen Weiten nicht Verhängnis sondern Rettung sind

Zusammenfassung

Das Wetter in einer Szene kann viel über die Emotionen der Figuren aussagen. Entweder als Verkörperung der Gefühle oder im Kontrast zu ihnen kann es maßgeblich die Stimmung der Szene beeinflussen. Wie das Wetter wirkt, hängt von der Situation, dem Setting der Szene und den persönlichen Vorlieben der Figuren ab.

Bestimmte Wetterlagen, insbesondere wenn sie länger anhalten, können die Figuren zu einem bestimmten Verhalten motivieren, können die Handlung in eine neue Richtung lenken und bieten Nährboden für die Figurenentwicklung – entweder in charakterlicher Hinsicht oder in Bezug auf ihre Beziehungen untereinander.

Aber nicht nur als Kulisse oder Plotmittel kann das Wetter Einfluss auf die Geschichte nehmen: Es kann sogar ein essenzieller Bestandteil der Handlung selbst sein, wenn es die Figur davon abhält (oder darin unterstützt), ihre Ziele zu erreichen.

Welche Ideen hast du noch, wie man das Wetter beim Schreiben nutzen kann?

Lass es mich gern unten in den Kommentaren wissen!

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